Geschichtliches Neuland – 16-Jährige stellen sich der Wahl für den Gemeinderat
(ckr – 26.6.24) In Baden-Württemberg hat der Landtag am 29. März 2023 eine wichtige und weitreichende Entscheidung getroffen. Erstmals konnten Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren bei der Kommunalwahl 2024 nicht nur ihr aktives Wahlrecht ausüben, sondern auch als Kandidaten für Gemeinderäte, Ortschaftsrat und Kreistage antreten. Mit dieser Entscheidung nimmt Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle ein. Dabei war das Bundesland in der Entscheidung um das aktive Wahlrecht eher zögernd und änderte die Berechtigungen ab 16 Jahren wählen zu dürfen erst 2013. Damals war Niedersachsen 1996 Vorreiter, gefolgt von Schleswig-Holstein 1998 und NRW 1999.
Der Staatsanzeiger berichtete jüngst, dass von diesem Wahlrecht über 60 SPD-Kandidaten unter 18 Jahren gebraucht gemacht haben. Bei der CDU sollen 100 und bei den Grünen über 100 minderjährige Kandidaten auf der Wahlliste vertreten gewesen sein.
Bei einer Vielzahl der engagierten Jugendlichen stand zumindest ein Elternteil mit auf der Wahlliste, manchmal auch erst durch den Sprössling inspiriert. Genaue Zahlen darüber, wie viele Jugendliche es tatsächlich geschafft haben und zukünftig einen Platz im Gemeinderat einnehmen, sind leider noch nicht veröffentlicht.
Für die CDU / Bürgervereinigung standen in Bammental gleich zwei 16-Jährige auf der Liste. Elisa Vogt und Johannes Wüst nahmen die Herausforderung an und stellten sich der Wahl zum Gemeinderat. Auch bei Pro Bammental kandidierten mit Luca Giede (17) und Jan Gund (16) zwei Schüler. Die SPD setzte den Schüler Niclas Weigl auf ihre Liste.
Johannes Wüst hat sich für einen nicht offensiven Wahlkampf entschieden und lieber hinter den Kulissen tatkräftig mit angepackt. Wann auch immer praktische Hilfe gebraucht war, stand er hilfsbereit zur Seite, hängte Plakate und leistete wertvolle Dienste bei Auf- und Abbau Arbeiten. Aber mit den wahlberechtigten Klassenkameraden hat er sich schon ausgetauscht und ein bisschen Werbung für sich gemacht, erzählt der sympathische Jugendliche.
Ermutigt durch Papa Reinhard Wüst startete er auf Listenplatz 17, um die Interessen der jüngeren Generation zu vertreten. Reinhard Wüst war selbst mit 18 Jahren als jüngstes Mitglied im damaligen Wohnort Wiesenbach in den Gemeinderat gewählt worden. Mit so vielen Stimmen für seinen Sohn hatte er auch nicht gerechnet und ist positiv überrascht, wie gut die Jugend bei der Wahl angenommen wurde.
„In der Schule geht es oft um theoretische Aspekte, aber ich höre keine Lösungen.“, erzählt Johannes, „einen Zusammenhang zwischen dem Besprochenen in der Schule und dem Leben herzustellen, ist zusätzlich manchmal schwierig!“. Sein Vater ergänzt, dass es ja für die Jugendlichen auch im Leben nicht einfach sei, Bedürfnisse einer Gemeinde zu erkennen und Stellung zu beziehen.
Beiden ist wichtig, gerade den jungen Menschen eine Stimme zu geben, da die Welt aus der Perspektive der Heranwachsenden eben eine andere ist, die auch berücksichtigt werden sollte. Schließlich ist dies auch die Welt, mit der sie leben sollen. Reinhard Wüst erklärt es seinem Sohn anhand der Planung für das Feuerwehrhaus. Natürlich kann ein 16-Jähriger die Tragweite der Entscheidung und die Dimension der finanziellen Mittel nicht komplett überschauen, aber er kann durchaus verstehen, was in der Zukunft wichtig sein muss.
„Und wenn wir damit nicht anfangen, den Kindern und Jugendlichen Werte und Möglichkeiten zu erklären, können sie nicht lernen, es wichtig zu finden, sich einzubringen.“, findet Reinhard Wüst „sie müssen ihren eigenen Weg und Platz finden.“
Johannes beschreibt sich selbst als analytisch. Er spielt gerne Klavier und Fußball und hat Spaß an der Physik. Ihn haben die letzten Wochen lernen lassen, mehr nachzufragen und verstehen zu wollen. Dass er es jetzt nicht in den Gemeinderat geschafft hat, findet er nicht schlimm. Aber er möchte schon auch wissen, wie es genau im Gemeinderat zugeht und fragt „Papa, wie hast du das eigentlich alles gelernt, was im Gemeinderat wichtig ist?“
Das Herabsenken der Wahlmöglichkeiten für 16- und 17-Jährige hat das Thema Politik wieder stärker in den Familienalltag mit jungen Erwachsenen gerückt. Eltern, die ihre Kinder motivieren, sich für die Gesellschaft einzusetzen und Kinder, die ihre Eltern inspirieren, sich in der Politik engagieren, können dem Land nur guttun.
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