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Kritik der Kreischefs: Ambulante Notfallversorgung nicht unkoordiniert schwächen

Archivbild Landrat Stefan Dallinger

(rnk – 20.10.24) Der zweite Beschluss der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) innerhalb eines Jahres, zahlreiche weitere Notfallpraxen in Baden-Württemberg zu schließen, ruft die betroffenen Landrätinnen und Landräte auf den Plan. Aus ihrer Sicht ist eine immer weitergehende und unkoordinierte Schwächung der ambulanten Notfallversorgung der falsche Weg und kann nicht hingenommen werden. Deshalb haben sie sich mit einem gemeinsamen Schreiben an den Minister für Soziales Gesundheit und Integration Manne Lucha gewandt. Er ist zuständig für die Beurteilung, ob die KVBW ihrem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag heute und in Zukunft noch gerecht wird.

Genau das bezweifeln die Kreischefs: Aus ihrer Sicht lassen die Planungen der KVBW wesentliche Faktoren außer Acht. Würden die Schließungspläne umgesetzt, werde es Notfallpraxen geben, die für 400.000 und mehr Menschen zuständig sind, weil die Bevölkerungsdichte nicht berücksichtigt wird. Fahrzeiten von höchstens 30 bzw. 45 Minuten unterstellen, dass jeder über einen Pkw verfügt und ohne Verkehrsstörung zur Notfallpraxis gelangt. Solche selbstgewählten Kriterien würden sich weder am tatsächlichen Bedarf noch der Lebenswirklichkeit orientieren. Wer keinen Hausarzt erreicht, könne nicht den Montag abwarten, um in die Praxis zu gehen. Die Patientinnen und Patienten würden deshalb gezwungen, noch mehr Zeit für die Anfahrt oder im Wartezimmer einer anderen Notfallpraxis zu verbringen oder in die bereits jetzt überlasteten Notaufnahmen der Krankenhäuser zu gehen bzw. den Rettungsdienst zu rufen. Dazu kommt, dass landesweit rund 1.000 Hausarztsitze nicht besetzt sind. Der Altersschnitt der Hausärztinnen und Hausärzte ist in vielen Regionen so hoch, dass absehbar erhebliche Kapazitäten wegbrechen und bei den Kinderärzten spiegeln die Bedarfszahlen der KVBW die wahre Versorgungssituation längst nicht mehr wider.

„Wir unterstützen die KVBW in ihrem Auftrag, die Regelversorgung zu stärken und auch wir haben als Ziel, eine gute und sichere medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Ein ums andere Mal betrachtet die KVBW die Dinge aber ausschließlich innerhalb des eigenen Systems. Auswirkungen auf die Krankenhäuser und den Rettungsdienst werden nicht in Überlegungen einbezogen und dortige Auswirkungen der Entscheidungen der KVBW in Abrede gestellt“, so der Tenor des Schreibens. Kritisiert wird, dass die KVBW erneut Entscheidungen trifft, ohne die Landkreise, Städte und Gemeinden oder die Krankenhäuser und den Rettungsdienst als Mitverantwortliche in der medizinischen Notfallversorgung beteiligt zu haben, und sie vor vollendete Tatsachen stellt. Nicht die immer weitere Ausdünnung von Angeboten, sondern deren sinnvolle Weiterentwicklung müsse das gemeinsame Ziel sein. Hierfür müsse sich die KVBW einem ernsthaften Dialog öffnen, wofür die Landrätinnen und Landräte bereitstehen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Sozialministerium Baden-Württemberg dies unterstützt und nicht der Eindruck untermauert wird, dass die KVBW „tun und lassen kann, was sie will“.

Der Initiative haben sich angeschlossen:

Landrat Dr. Christian Ante, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Landrat Roland Bernhard, Landkreis Böblingen

Landrat Dr. Joachim Bläse, Ostalbkreis

Landrat Dr. Achim Brötel, Neckar-Odenwald-Kreis

Landrat Stefan Dallinger, Rhein-Neckar-Kreis

Landrätin Marion Dammann, Landkreis Lörrach

Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Landkreis Reutlingen

Landrat Norbert Heuser, Landkreis Heilbronn

Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel, Landkreis Rottweil

Landrat Marcel Musolf, Landkreis Esslingen

Landrat Günther-Martin Pauli, Zollernalbkreis

Landrat Helmut Riegger, Landkreis Calw

Landrat Bastian Rosenau, Enzkreis

Landrat Ian Schölzel, Hohenlohekreis

Landrat Dr. Christoph Schnaudigel, Landkreis Karlsruhe

Landrat Frank Scherer, Ortenaukreis

Landrat Dr. Richard Sigel, Rems-Murr-Kreis

Landrat Edgar Wolff, Landkreis Göppingen

Statement von Landrat Stefan Dallinger, Rhein-Neckar-Kreis, zur Schließung der Notfallpraxen:

„Ich verstehe und teile den Unmut wegen der Schließung der Notfallpraxen im Rhein-Neckar-Kreis und in ganz Baden-Württemberg. Damit wurde wieder ein wichtiger Baustein der ärztlichen Versorgung gestrichen und dies in Zeiten des demografischen Wandels, in dem eine älter werdende Bevölkerung auf wohnortnahe ärztliche und notärztliche Versorgung angewiesen ist. Diese Vorgehensweise der KVBW konterkariert die Investitionen und Absprachen, die wir mit der KVBW getroffen haben, denn im Rhein-Neckar-Kreis sind alle Notfallpraxen in die Notaufnahmen der GRN-Kliniken integriert, so dass diese Investitionen im Rhein-Neckar-Kreis bereits getätigt sind und bei einem schlichten Vollzug der angekündigten Schließungen ins Leere laufen würden.“

Ergänzendes Statement von Judith Masuch, Geschäftsführerin der GRN gGmbH, zur Schließung der Notfallpraxen in Schwetzingen und Eberbach:

„Menschen, die eigentlich den KV-Bereitschaftsdienst benötigen, werden nicht den weiteren Weg in die nächste KV-Praxis (nach Mannheim) auf sich nehmen. Sie werden unsere Notfallambulanzen in den Kliniken noch häufiger aufsuchen und unsere Mitarbeitenden werden vor der Herausforderung stehen, das dann erhöhte Aufkommen zu stemmen. Die Notfallambulanzen der Kliniken sind für die Versorgung von echten medizinischen Notfällen da und bereits heute stark belastet. Es ist nicht deren Aufgabe, die Hausärzte außerhalb ihrer Arbeitszeit zu vertreten.“


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